Entwicklung eines digitalen Zielbilds
Ansätze der Digitalisierung können in verschiedene Zielkategorien unterteilt werden. Zum einen können digitale Ansätze für die Stützung des Kerngeschäfts genutzt werden, also beispielsweise um interne Prozesse zu optimieren, ein digitales Dokumentenmanagement einzuführen oder einen automatisierten Angebots- bzw. Auftragsabwicklungsprozess einzuführen. Zum anderen können nach außen, auf den Kunden ausgerichtete, digitale Geschäftsmodelle und Dienstleistungen entwickelt werden.
Um bei der Entwicklung eines unternehmensspezifischen, digitalen Zielbilds unterstützen zu können, hat sich folgendes Vorgehen in unserer Beratungspraxis bewährt:
Bei der Zielbildentwicklung ist es zunächst wesentlich, sich konkrete und realistische digitale und messbare Ziele zu setzen. Dies kann beispielsweise ein definierter Anteil am Umsatz sein, der in einer gewissen Zeitspanne mit digitalen Leistungen erwirtschaftet werden soll. Auch die Anzahl der digitalen Leistungen zu einem gewissen Zeitpunkt kann als Zielgröße dienen, ebenso wie der Anteil der Investitionen in Digitalisierung.
Wenn diese Zielgrößen festgelegt wurden, ist der nächste Schritt die Identifizierung von konkreten Ansätzen, die für eine Umsetzung in Frage kommen. Hierfür ist zunächst eine Betrachtung von allgemeinen (Industrie- und Unternehmens-unabhängigen) Trends sinnvoll. Neben technologischen Entwicklungen sollten dabei auch politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Treiber identifiziert werden. Dieser Schritt ist wesentlich, um einen ungefähren Eindruck von zukünftigen Entwicklungen zu erhalten. In einem nächsten Schritt können dann daraus Rückschlüsse gezogen werden, welche Auswirkungen die beobachteten Trends auf das Unternehmen haben.
Relevante gesellschaftliche Trends sind beispielsweise Änderungen im Arbeitsmarkt. In einzelnen Branchen und Berufszweigen ist der Fachkräftemangel bereits spürbar und die Personalsuche wird zunehmend schwerer – eine optimierte und digitale Personalsuche kann hierbei unterstützen. Gleichzeitig wachsen auch die Anforderungen an die potenziellen und aktuellen Arbeitnehmer im Zuge der Digitalisierung – Mitarbeiter haben ganz unterschiedliche digitale Kompetenzen und Unternehmen müssen sich zunehmend darauf einstellen, diese aktiv und für unterschiedliche Kompetenzniveaus zu schulen.
Insbesondere technologisch gesehen sind viele weitere Trends zu beobachten: Eine zunehmende Integration und Vernetzung unterschiedlichster Akteure über ganze Supply Chains hinweg entwickelt sich. Wenn alle Akteure die gleiche Plattform nutzen, können Warenflüsse entlang der gesamten Supply Chain digital kartographiert werden. Dies hat das Potenzial, Prozesse zu vereinfachen, Zeit einzusparen und die Verlässlichkeit zu erhöhen. Die Digitalisierung von Daten bietet allein sehr viele Möglichkeiten – papierloser Handel, automatisierte Entscheidungsprozesse und natürlich Big Data Analytics können zum Beispiel für Vorhersagen im Rahmen von Produktions-Planungsprozessen eingesetzt werden.
Darüber hinaus sollten konkrete Ansätze und digitale Projekte aus verschiedensten Branchen gesammelt werden, um eine Horizont-Erweiterung zu erreichen und um aufzuzeigen, was bereits heute in anderen Branchen umgesetzt wird. Schließlich müssen die bereits umgesetzten, in Umsetzung befindlichen oder geplanten einzelnen Digitalisierungsmaßnahmen des Unternehmens aufgezeigt werden. Zudem sollten weitere Ideen aus dem Unternehmen aufgenommen werden: Die Mitarbeiter kennen ihr Unternehmen am besten und haben in aller Regel gute Vorstellungen davon, an welcher Stelle die Digitalisierung Potentiale (intern oder kundengetrieben) bietet. Um diese Ideen zu sammeln und auszuarbeiten eignet sich die Durchführung von Kreativ-Workshops, in denen kundenzentrierte Werkzeuge wie beispielsweise das Value Proposition Canvas eingesetzt werden. Hier werden konkrete Personas in den Fokus genommen und überlegt, wie digitale Ansätze dem Kunden-Ansprechpartner Schmerzen abnehmen oder ihn begeistern können.
Aus diesen gesammelten Informationen lässt sich schließlich ein gutes Bild davon entwickeln, wohin sich das Unternehmen in Bezug auf die Digitalisierung entwickeln möchte. Auch hier verändern sich die grundlegenden betriebswirtschaftlichen Annahmen nicht – Digitalisierung soll helfen, Umsätze zu erhöhen oder Kosten zu senken, Investitionen in die digitale Veränderung machen nur Sinn, wenn diese sich amortisieren oder existenzgefährdende Risiken abwehren können.
All diese Ansätze müssen schließlich bewertet und priorisiert werden, so dass eine Digitalisierungs-Roadmap abgeleitet werden kann (vgl. Abbildung 1). Die Roadmap ist zum einem im Portfolio oder auch auf der Zeitachse abzutragen. Daraus entsteht eine konkrete Handlungsanweisung, welche Digitalisierungsansätze in den nächsten Jahren verfolgt werden sollen.
Erst wenn dieses strategische Zielbild klar ist, können die künftigen Anforderungen an die Organisation, die Prozesse, die Technik und die Menschen im Unternehmen definiert werden. Es muss geklärt werden, welche Voraussetzungen für das Erreichen des digitalen Zielbilds erfüllt werden müssen, also beispielsweise, welche Daten, Systeme und konkreten Kompetenzen erforderlich sind. Daraus ergibt sich schließlich ein Organisations- und technologisches Zielbild. Zudem ist eine qualitative Bewertung von Kosten und Nutzen notwendig, ebenso wie die Bildung einer „Shortlist“, die erste, schnell umsetzbare „Leuchtturm-Projekte“ enthält.
Die Digitalisierung als komplexe gesellschaftliche Entwicklung lässt sich sehr pragmatisch und strukturell übersichtlich für jedes Unternehmen als digitales Zielbild handfest definieren.
CMC² ist eine Managementberatung für Strategieentwicklung, Organisationsgestaltung und Organisationsperformance-Management für die chemische Industrie.
Ein Beitrag von Prof.Dr. C. Suntrop / M.Sc. C. Hiemer (CMC²)